
Arbeitsverhältnis und Corona-Tests – Endlich Klarheit aus Erfurt!
Lange war unklar, wie es sich mit Corona-Tests im Betrieb verhält. Der Gesetzgeber verpflichtete zwar die Arbeitgeber den Mitarbeitern Tests anzubieten, jedoch war umstritten, ob er von den Mitarbeitern auch sozusagen eine Testung einfordern darf und weitergehend die Vorlage des Testergebnisses beispielsweise vor Betreten des Betriebs.
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat nunmehr mit einer Entscheidung Klarheit für die Praxis geschaffen, wenn ggf. im kommenden Herbst die Infektionszahlen wieder steigen und weitergehende Schutzmaßnahmen erforderlich sind. Die Anordnung von Corona-Tests durch den Arbeitgeber ist demnach unter bestimmten Voraussetzungen möglich (BAG v. 01.06.2022, Az.: 5 AZR 28/22; zuvor bereits LAG München v. 26.10.2021, Az.: 9 Sa 332/21).
Wie war die Ausgangssituation?
Den Fall, den Erfurt an sich gezogen hat, betraf eine Flötistin an der Bayerischen Staatsoper, die sich weigerte eine Testung durchzuführen und das Testergebnis beim Arbeitgeber vorzulegen. Die Besonderheit war, dass der Arbeitgeber kostenlose PCR-Tests anbot, also nicht wie üblich Antigen-Schnelltests. Aufgrund der Weigerung der Arbeitnehmerin durfte sie weder an Proben noch an Aufführungen teilnehmen. Der Arbeitgeber stellte in der Folge auch die Gehaltszahlungen ein. Dagegen wendete sich die Arbeitnehmerin vor die Arbeitsgerichtsbarkeit und machte Annahmeverzugslohn gelten. Hinzuweisen ist noch darauf, dass der Arbeitgeber ein betriebliches Schutz- und Hygeniekonzept teils in Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Stellen entwickelt hatte. Dies sah zunächst organisatorische Maßnahmen und im Anschluss ein abgestuftes Testungskonzept nach Risikogruppen vor. Neben einer allgemeinen Testung vor Beginn der Saison sollte die Arbeitnehmerin sich alle ein bis drei Wochen testen lassen.
Wie begründet Erfurt seine Entscheidung?
§ 618 BGB verpflichtet den Arbeitgeber Schutzmaßnahmen bei Gefahr für Leben und Gesundheit seiner Mitarbeiter zu ergreifen. Das Bundesarbeitsgericht betont, dass das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers konkretisiert. Besondere Bedeutung kommt dem Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) zu, mit dem ein Vollzug der Schutzmaßnahmen erst möglich ist. Nach gefestigter Rechtsprechung ist bei der Ausübung billiges Ermessen (§ 315 BGB) zu beachten.
Der Arbeitgeber muss also auch die Interessen des Arbeitnehmers beachten, jedoch spielen auch die Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes bei der Ausübung von Ermessen eine Rolle.
Unter Heranziehung dieser Maßstäbe sieht das Bundesarbeitsgericht die Weisung zur Durchführung einer Testung und Vorlage der Testergebnisse durch den Arbeitgeber an die Arbeitnehmerin als gerechtfertigt an. Einen Ermessensverstoß kann das Gericht nicht erkennen, vor allem da der Arbeitgeber eine abgestuftes betriebliches Schutz- und Hygienekonzept ausgearbeitet und praktiziert hatte. Der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Arbeitnehmerin sind das Gericht als verhältnismäßig an. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung steht nicht entgegen. Die Einstellung der Gehaltszahlungen unter dem Gesichtspunkt des fehlenden Leistungswillen der Arbeitnehmerin (§ 297 BGB) war deshalb gerechtfertigt. Der Arbeitgeber schuldet keinen Lohn aus Annahmeverzugsgesichtspunkten.
Fazit:
Einen „Blankoscheck“ stellt die Entscheidung für Arbeitgeber nicht dar, allerdings ermöglicht das Bundesarbeitsgericht die Durchführung von Corona-Tests in Betrieben unter bestimmten Voraussetzungen. Im Moment liegt nur die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vor, aber danach zu urteilen, bedarf es sozusagen Testungen vorgeschaltet einerseits ein betriebliche Schutz- und Hygeniekonzept und andererseits sich aus dem Arbeitsschutzgesetz ergebende Verpflichtungen des Arbeitgebers. Hierbei sind die in den Bundesländern erlassenen Infektionsschutzmaßnahmen-Verordnungen zu berücksichtigen.
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