
Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen – Von Anfang an?
Nach § 168 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes (in Bayern: Zentrum Bayern Familie und Soziales).
Bislang bestand Einigkeit, dass der Sonderkündigungsschutz innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses nicht eingreift.
Der EuGH entschied nunmehr, dass die Richtlinie 2000/78/EG auch für schwerbehinderte Menschen während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses gilt (EuGH vom 10.02.2022, Az.: C-485/20).
Nach der Richtlinie sind „angemessene Vorkehrungen“ zum Schutz schwerbehinderte Menschen zu treffen. Dies kann bedeuten, dass zunächst eine Versetzung vom Arbeitgeber zu prüfen ist, bevor er eine Kündigung ausspricht.
Voraussetzung ist, dass die Versetzung für den Arbeitgeber verhältnismäßig ist und es einen freien Arbeitsplatz gibt.
Fazit: Eine Kündigung ist das letzte Mittel. Vorrangig sind Versetzungsmöglichkeiten zu prüfen. Dies gilt für schwerbehinderte Menschen nunmehr auch während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses. Einer Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung bedarf es jedoch während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses weiterhin nicht.