
125 € Entlastungsbetrag aus der Pflegeversicherung – Wer bekommt ihn, wer nicht?
Letzte Woche haben wir wegen den sommerlichen Temperaturen auch hier im Blog eine Pause eingelegt. In dieser Woche beschäftigen wir uns mit einem pflegerechtlichen Thema und zwar dem sog. Entlastungsbetrag.
Systematik der sozialen Pflegeversicherung
Die soziale Pflegeversicherung bildet einen eigenständigen Zweig der Sozialversicherung. Geregelt ist die soziale Pflegeversicherung im SGB XI.
Die §§ 20 ff. SGB XI regeln die Versicherungspflicht. Allgemein lässt sich festhalten, dass die Versicherung in der sozialen Pflegeversicherung anknüpft an die Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Pflegebedürftigen werden in ein System von fünf Pflegegraden eingestuft. Die Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung hängen davon ab, welcher Pflegegrad festgestellt ist. Die soziale Pflegeversicherung deckt letztlich nur einen Teil der Pflegekosten ab. Sie ist sozusagen als „Teilkaskoversicherung“ gegen Pflegebedürftigkeit ausgestaltet.
Entlastungsbetrag bei Pflegegrad 1
Bereits ab Pflegegrad 1 ist neben Pflegeberatung und ggf. Pflegehilfsmittel und/oder Zuschuss zur Anpassung des Wohnumfelds ein sog. Entlastungsbetrag in Höhe von 125 € (§ 45 b SGB XI) vorgesehen.
Voraussetzung ist, dass die Pflegebedürftigen Aufwendungen haben, die im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Leistungen der Tages- oder Nachtpflege, Leistungen der Kurzzeitpflege, Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne von § 36 SGB XI, Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45 a SGB XI haben.
Die Aufzählung im Gesetz ist abschließend. Der Entlastungsbetrag wird den Pflegebedürftigen also nicht automatisch überwiesen, sondern es muss eine der genannten Leistungen auch tatsächlich in Anspruch genommen werden.
Bei Pflegebedürftigen, die noch fit genug sind, um sich zu Hause selbst zu versorgen, wird der Entlastungsbetrag oft nicht genutzt. Der Grund ist, dass für Angebote der Unterstützung im Alltag eine Anerkennung nach Landesrecht erforderlich ist. In der Praxis ist das Angebot überschaubar.
Aktuelle Rechtsprechung
Das LSG Baden-Württemberg (Urteil v. 19.11.2021; Az.: L 4 P 2161/21) hatte beispielweise zu entscheiden, ob der Entlastungsbetrag für das Gassigehen mit dem Hund eines Pflegebedürftigen in Anspruch genommen werden kann. Es handelte sich um einen privaten, nicht anerkannten Dienstleister.
Das Gericht verneinte die Inanspruchnahme des Entlastungsbetrags und verwies darauf, dass es sich um einen nicht anerkannten Dienstleister handelt. Weder eine analoge noch eine verfassungskonforme Auslegung von § 45 b Abs. 1 SGB XI sah das Gericht als geboten an. Die Aufzählung in § 45 b Abs. 1 SGB XI ist abschließend.
Fazit:
Rechtlich ist die Entscheidung nachvollziehbar, aber praktisch bekommen Pflegebedürftige damit keine Unterstützungsangebote im Alltag, weil es nicht genug zertifizierte Anbieter gibt. Es besteht Handlungsbedarf. Der Gesetzgeber sollte die Voraussetzungen lockern, sodass private Unterstützungshilfe im Garten, Haushalt etc. über den Entlastungsbetrag ohne viel bürokratischem Aufwand abgedeckt werden kann.
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