Weinmann Götz Strahl

Rechtsanwaltskanzlei

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Die „Tücken“ einer Kappungsgrenze für Sozialplanleistungen und den Schwerbehindertenzuschlag

Wir hatten bereits in eigener Sache berichtet (Beitrag vom 11. Februar 2022), dass das Bundesarbeitsgericht unter anderem in einer von unserer Kanzlei betreuten Sache die in einem Sozialplan vereinbarte Kappung einer Klageverzichtsprämie für unwirksam erklärt hat (BAG vom 07.12.2021; Az.: 1 AZR 562/20).

In einer weiteren Parallelsache unserer Kanzlei, die noch beim Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung lag, ging es nunmehr noch um das Verhältnis zwischen Kappungsregelung und Schwerbehindertenzuschlag (BAG v. 11.10.2022, Az.: 1 AZR 129/21).

Sachverhalt

Hintergrund des Ganzen war eine Betriebsschließung. Die Betriebspartner verhandelten einen sogenannten „Sozialplan zur Werkschließung“, der für Abfindungen eine Höchstbetragsregelung von 75.000 € pro Mitarbeiter enthielt. Der Sozialplan sah für Schwerbehinderte und Gleichstellte einen zusätzlichen Abfindungsbetrag in Höhe von 1.500 € brutto sowie 2.000 € für Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von mehr als 50 vor. Daneben schlossen die Betriebspartner eine „Betriebsvereinbarung bezüglich einer Klageverzichtsprämie“.

Nach Ausspruch der Kündigungen zahlte der Arbeitgeber maximal an jeden Mitarbeiter 75.000 €. Die Höchstbetragsregelung im Sozialplan wendete er nicht nur auf die sich aus der Abfindungsformel für jeden Arbeitnehmer / jede Arbeitnehmerin ergebenden Betrag, sondern auch auf die Klageverzichtsprämie und den Zuschlag für Schwerbehinderte und Gleichgestellte an.

Das bedeutete, dass unabhängig von Schwerbehinderung oder Gleichstellung bei Erreichung des Höchstbetrags durch die Formelabfindung die Abfindungssumme auf 75.000 € „gedeckelt“ war.

Dagegen wendete sich mit unserer Hilfe unser Mandant, der als langjähriger Beschäftigter die Höchstbetragsgrenze erreichte, jedoch zusätzlich einen Grad der Behinderung von 80 hat.

Verfahrenslauf

Vorinstanzlich scheiterten wir sowohl im Hinblick auf die Gewährung einer Klageverzichtsprämie als auch hinsichtlich des Schwerbehindertenzuschlags. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung zurück, sodass nur noch die Revision zum Bundesarbeitsgericht blieb.

Die Klageverzichtsprämie erkannte die Beklagtenseite an, nachdem das Bundesarbeitsgericht in einer Parallelsache eine Entscheidung pro Gewährung getroffen hatte (wir berichteten bereits).

Zum Schwerbehindertenzuschlag verhandelte der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts dann am 11. Oktober 2022 mündlich. Herr Rechtsanwalt Ralf Weinmann hob in der mündlichen Verhandlung nochmals hervor, dass der Schwerbehindertenzuschlag gerade bei älteren, länger beschäftigten schwerbehinderten Arbeitnehmern wie bei unserem Mandanten den erkennbar gewünschten Effekt, die Minderung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt und Betroffenheit vom Arbeitsplatzverlust zusätzlich zu kompensieren, real durch die Kappungsgrenze nicht entfalten kann.

Wie urteilte das BAG nun?

Das BAG sah darin nunmehr einen Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 BetrVG und urteilte, dass der Schwerbehindertenzuschlag von der Kappungsgrenze ausgenommen wird. Es hob hervor, dass eine sachlich nicht gerechtfertigte Gruppenbildung innerhalb der Schwerbehinderten zu Lasten derjenigen mit einem bereits durch lange Betriebszugehörigkeit erworbenen Abfindungsanspruch gegeben ist.

Fazit:

Es freut uns, dass unser Mandant nun letztinstanzlich doch noch neben der Klageverzichtsprämie den Schwerbehindertenzuschlag zugesprochen bekommen hat. Allgemein gilt, dass die Betriebspartner bei der Ausgestaltung von Sozialplänen die Vorgaben des BAG zu Kappungsgrenzen zu beachten haben. Diese sind zwar weiterhin möglich. Die Betriebspartner haben jedoch im Lichte von § 75 BetrVG darauf zu achten, dass von ihrer Anwendung keine diskriminierende Wirkung ausgeht, also beispielsweise ein von den Betriebspartnern identifizierter zusätzlicher Kompensationsbedarf für (ältere) Schwerbehinderte nicht befriedigt wird, weil er der Kappung zum Opfer fällt.

Beitragsbild von stevepb on Pixabay